Ich bin jetzt seid einem Monat wieder zurück in Deutschland. Und in einem bin ich mir ganz sicher: Vor einem Jahr war das noch nicht so kalt hier! Abgesehen davon bin ich sehr erschrocken wie schnell ich mich wieder eingelebt habe. Aber alles zu seiner Zeit.

Die letzten Wochen in Cashibo

Unser Abreisetermin rückte immer näher aber die letzte Zeit bis dahin konnte ich nochmal richtig genießen. Wir als Kurzzeitler hatten noch eine richtig gute und intensive Zeit miteinander.

Ein unvollständiges Gruppenfoto im peruanischen Einkaufszentrum zur Weihnachtszeit

Ein großer Segen war auch, dass es genug geregnet hatte um nochmal in die Cocha zu springen. Die Regenzeit hatte bereits begonnen was den leicht nostalgischen Nebeneffekt hatte, dass ich die ersten Schimmelflecken auf meinen Sachen gefunden habe. Doch nochmal in die Coacha zu springen und schwimmen zu können war ein sehr schönes Abschiedsgeschenk.

Die Cocha

Santa Teresita

Dem sehr nahegelegenem Dorf der indigenen Volksgruppe Shipibo einen Besuch abzustatten stand eigentlich schon seit einigen Monaten auf meiner Liste mit Dingen, dich ich unbedingt noch vor meiner Heimreise in Peru machen wollte. Aber besser spät als nie, gel?

‌Santa Teresita ist ca. 15 Minuten mit dem Boot von Cashibo entfernt (einmal über die Cocha), also eigentlich nur ein Katzensprung. Obwohl es so nah an der Stadt liegt sind die meisten Gebäude noch selbst gebaute Hütten aus Holz, Blättern und manchmal Wellblech. Einige Frauen gehen auch noch dem traditionellen Handwerk des Webens nach; Auch wenn sich die Beschaffung der Stoffe durch den Handel in Pucallpa etwas industrialisiert hat. Im Dorf gibt es auch Strom und die Kirche hat sogar eine Audioanlage für Mikrofone und Instrumente. Ich würde trotzdem sagen, dass dieser Ausflug mehr Einblick in das Leben in einem Dorf mit Indigenen bietet als mein Einsatz im eher städtische San Lorenzo. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass dieser Ausflug noch möglich war.

Arbeitsabschluss

Auch von meiner Arbeit hieß es Abschied zu nehmen. Zu diesem Anlass hat das Plantel, Danilos Arbeitsbereich, der für die Instandhaltung des Geländes und Gebäuden verantwortlich ist, nochmal zum Abschiedsgrillen eingeladen.

Die restliche Arbeit selbst hat sich eigentlich nur noch auf Nachwehen des vergangen Blitzschlages und Einweisungen beschränkt. Das heißt nicht, dass ich das Gefühl hatte ich wäre "fertig". Es gäbe noch so viele schöne Dinge die man hätte tun können. Zum Beispiel der Ausbau der neuen gemanagten WLAN Access Points oder eine für Organisationen geeignete Ablösung der Whatsapp Gruppen. Aber es hat zumindest alles funktioniert als ich gegangen bin.

Rückflug

Nach einem sehr emotionalen Abschied in Cashibo war es dann soweit: Die letzte Fahrt in Pucallpa zum Flughafen. Zusammen mit einigen anderen Missionarsfamilien, die für ihren Heimataufenthalt nach Europa mussten, hatten wir nun ein paar Tage Aufenthalt in Lima. Die peruanische Regierung hatte zwei Wochen vor unserem Flug noch eine weitere Regel aufgestellt: Auch für Inlandsflüge braucht man als nicht vollständig geimpfte Person einen PCR Test der nicht älter als 3 Tage ist. Unser Problem war jetzt nur, dass man in Pucallpa gar keinen PCR Test machen kann. Also sind wir vor dem Durchsetzen dieser Regel nach Lima geflogen und haben dort 4 Tage auf unseren Flug nach Deutschland gewartet. Dieser verlief bis auf einen kleinen Zwischenfall in der Dominikanischen Republik, Gott sei Dank, recht problemlos.

Unser Flug nach Deutschland

Da wir 6 Stunden Aufenthalt in Punta Cana hatten und der Strand nur 10 Minuten mit dem Auto vom Flughafen entfernt war, wollten wir ursprünglich einen kleinen Abstecher ans Meer machen. Nur haben wir leider unerwartet unser Gepäck zurück bekommen und der Schalter unserer Fluggesellschaft sollte erst 3 Stunden vor Beginn unseres Fluges öffnen. An und für sich war es ein Segen, dass wir unser Gepäck überhaupt bemerkt haben, denn in Lima hat man uns versichert, dass das Gepäck direkt bis nach Deutschland gehen würde. Aber mit Koffer zum Strand war für uns nicht wirklich eine Option und 3 Stunden vor dem Flug noch los zu ziehen war dann doch ein bisschen Knapp.

Der Flughafen in Punta Cana. Sieht aus wie der Eingang vom H²O

Wieder daheim

Die Ankunft in Frankfurt war dann wieder sehr emotional. Mein Vater und zwei Freunde warteten am Eingang und man ist sich mit Pippi in den Augen in die Arme gefallen.

🎶 Zuhauseeeee     bist immer nur Du 🎶‌‌
- AnnenMayKanterit

Als Papa und ich dann aus dem Flughafen raus auf die A5 abgebogen sind habe ich mich schon etwas erschrocken, wie normal es war mich im Auto mit meinem Vater zu unterhalten und auf blaue Schilder zu schauen. Nach einer Stunde hätte ich gefühlt auch nur 2 Wochen weg gewesen sein können. Das schnelle Einleben hat sich die nächsten Wochen auch so weiter gezogen. Das erste Wiedersehen mit meinen Freunden und Familie in Bünde war natürlich was Besonderes, aber fast alle Beziehungen sind wieder wie zu meiner Abreise, was sehr schön ist. Es passt nur nicht so zu dem wovor man mich beim "Re-Entry" gewarnt hat, denn die Welt dreht sich ja bekanntlich Zuhause weiter auch wenn man nicht da ist. Aber vielleicht ist das einfach ein Nebeneffekt von Corona. Was sich auf jeden Fall geändert hat, sind die Temperaturen. Ich bin mir sicher, dass es vor meiner Abreise noch nicht so kalt in Deutschland war!

Alles läuft Rückwärts

Die Nostalgie der letzten zwei Monate wurde sehr gestärkt durch die Tatsache, dass meine Abreise exakt meiner Anreise entsprach; nur Rückwärts. Das klingt jetzt vielleicht noch so überraschend. Aber es waren einfach die vielen kleinen Details: Cashibo ohne Studenten, die Regenzeit in Peru, der Aufenthalt im Gästehaus in Lima, die Weihnachtszeit in Deutschland und mein persönliches Umfeld Zuhause, dass sich kaum verändert hat. Selbst die Coronamaßnahmen waren fast identisch zu den meiner Abreise. All das lässt das letzte Jahr fast ein bisschen wie einen Traum wirken.

Man wird nicht zweimal vom Blitz getroffen

Normalerweise freue ich mich immer etwas aus Cashibo zu hören. Doch die Nachricht die ich kurz nach Neujahr bekommen habe war doch etwas frustrierend: Es gab wieder einen Blitzschlag. Genau an der gleichen Stelle wie vor zwei Monaten.

Dementsprechend ist auch wieder die Netzwerkkarte der Firewall, sowie zahlreiche andere Netzwerkgeräte kaputt. Nach einigen Tagen Fernwartung und Basteln über ein mehr oder weniger funktionierendes Mobilfunknetz ist die Station jetzt wieder stabil. Aber ich hätte mir an vielen Stellen die Mühe sparen können, z.B. den Serverschrank aufzuräumen und Geräte sauber zu befestigen. Aber man ahnt es ja nicht. Dafür hat mein temporärer Nachfolger wieder Aufgaben mit denen er üben kann.

Doch dann dachte ich nach über das, was ich erreicht hatte, und wie hart ich dafür arbeiten musste, und ich erkannte: Alles war letztendlich vergebens – als hätte ich versucht, den Wind einzufangen! Es gibt auf dieser Welt keinen bleibenden Gewinn.
- Prediger 2,  11

Der Einschlag vor zwei Monaten hat mir bei der Fernwartung aber sehr geholfen. Dadurch, dass der Schaden an der Netzwerk Infrastruktur fast identisch war wusste ich, ohne vor Ort zu sein, recht konkret was gemacht werden muss. Außerdem ist jetzt durch diese Aktion eine weitere Person für Digitale Krisen geschult bzw. kennt zumindest die Infrastruktur. Denn die eigentlich dafür vorgesehene Person war gerade im Urlaub.

Abschließende Gedanken

Der Vers aus Prediger 2 spiegelt zum Glück nicht meine Stimmung für das Jahr sondern nur die der vorhin genannten Situation wieder. Wenn ich das Jahr in einem Wort zusammenfassen müsste wäre es wohl Horizonterweiterung. Ich hatte mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun; von westlichen und südamerikanischen Missionaren über peruanische Händler zu indigenen Gemeindeleitern. Sicherlich mit dem einen mehr und dem Anderen weniger aber ich durfte von jedem eine neue Perspektive mitnehmen, sowohl geistlich als auch zu Lebensstil und ethischen Werten. Es ist sehr schwer das umfassend in Worte zu fassen, wenn eine Person in ihrem Denken so anders ist als man es als Europäer gewöhnt ist.

Ich habe aber eine konkrete Erkenntnis die ich teilen kann: Missionare sind auch nur Menschen. Sie übernehmen sicherlich eine besondere Aufgabe im Reich Gottes und gerade die Langzeitmissionare geben viel für die Arbeit auf, die sie tun. Aber sie sind genauso Menschen, mit ihren Fehlern und Päckchen, wie ich.

Danke

Rückblickend zu sehen wie Gott das Kurze Zeitfenster geöffnet hat, in dem Danilo und ich in das Land einreisen durften und wie er uns durch das Chaos und die Unsicherheit bei der Planung und Umsetzung unserer Rückreise geführt hat ist cool zu sehen. Und auch wenn ich geistlich vielleicht nicht so herausgefordert wurde wie ich mir das gerne gewünscht hätte, hatte ich eine unfassbar gute Zeit mit wunderbaren Menschen die ich sehr ins Herz geschlossen habe und durfte eine verantwortungsvolle Arbeit machen die mir viel Spaß gemacht hat. Ich bin einfach sehr dankbar, dass ich das Jahr 2021 in Cashibo verbringen durfte.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal jedem danken, der mich finanziell, im Gebet oder einfach durch ein ermutigendes Wort unterstützt hat. Zu wissen, dass man Menschen im Rücken hat die einen unterstützen gibt sehr viel Motivation und Kraft in schwierigen Momenten. Vielen Dank!

Und wie geht's jetzt weiter?

Momentan genieße ich noch mein Arbeitslosen Dasein und bin meistens mit organisatorischen Restarbeiten von meinem Einsatz beschäftigt. Voraussichtlich ab Februar werde ich meine Arbeit als regulärer Informatiker wieder aufnehmen.
Wo klärt sich in den kommenden Tagen.

Soweit ein vorerst letztes Mal von mir! Ich wünsche jedem der das ließt Gottes Segen und und besseres 2022. Vielleicht sieht man sich ja nochmal!